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Genus vs Sexus: das Mißverständnis der vermeintlich "männlichen Sprache"

Die zentrale Behauptung des Sprachfeminismus lautet: Grammatisch männliche (maskuline) Hauptwörter für Menschen und andere Lebewesen, die eine bestimmte Tätigkeit ausüben und meist von Handlungswörtern (Verben) abgeleitet sind, bezeichnen aufgrund ihres grammatischen "Geschlechts" (Genus) nur Männer und fördern so ein male bias, also ein Vorurteil, das Männer als Norm voraussetzt und wahrnehmen läßt, Frauen hingegen nicht meint oder nur "mitmeint". Der Arbeitgeber, der Leser, ein Mitarbeiter, ein Patient, kein Politiker, der Sportler, der Wähler etc. sei also immer ein Mann.
    Die Schlußfolgerung und Forderung der Sprachfeministen lautet: Frauen müssen durch Gendern "sichtbar" (oder alle Geschlechter "unsichtbar") gemacht werden. Weder die Behauptung noch die Schlußfolgerung trifft jedoch zu:

  • Das grammatische Geschlecht (Genus) definiert grundsätzlich nicht das biologische "Geschlecht" (Sexus):
    • Der formale Beweis liegt bereits darin, daß es im Deutschen drei Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum) gibt, aber zwei biologische Geschlechter als Ergebnis der sexuellen Fortpflanzung des Menschen.
    • Wenn der Leser nur männlich wäre, müßte im Umkehrschluß die Person oder Lehrkraft nur weiblich sein, die Drohne wäre eine weibliche statt männliche Biene, und das Vereinsmitglied wäre gar geschlechtslos.
    • Feminine Deklinationsklassen (Arten, Wörter zu "beugen") tauchen erst spät in der Sprachgeschichte auf.
    • Das (grammatische) Geschlecht ist nur eine Lehnübersetzung des lateinischen Genus ('Gattung, Sorte') aus dem 17. Jahrhundert; die drei Genera wurden in der Folge "männlich", "weiblich" und "sächlich" genannt.
    Die Vorstellung, maskuline Bezeichnungen definierten Menschen als biologisch männlich und förderten so ein male bias, ist offenbar die Folge mißverständlicher Bezeichnungen grammatischer Kategorien ... und eines female bias.
  • Unübersehbar und unbestritten ist die Tatsache, daß die meisten Berufs-, Handlungs- und Rollenbezeichnungen (sprachwissenschaftlich Nomina agentis) das maskuline Genus haben. Der Grund liegt darin, daß die Funktion, Rolle etc. einer Person meist durch Endungen (Suffixe, Derivationsmorpheme) gebildet wird, die das betroffene Nomen agentis automatisch in eine maskuline Deklinationsklasse stellen, aber nicht zugleich ihr biologisches Geschlecht anzeigen: z. B. er wie in Arbeiter, Mieter, Täter oder Wähler, ar und är wie in Archivar oder Kommissar, Aktionär oder Pensionär etc., or wie in Autor, Direktor oder Doktor, eur wie in Akteur, Charmeur oder Friseur bzw. Frisör etc., ist wie in Artist, Internist, Jurist oder Polizist, ant wie in Adjutant, Fabrikant, Praktikant etc., ent wie in Interessent, Konsument, Student etc. Dasselbe gilt u. a. für Wörter auf ling: Abkömmling, Flüchtling, Lehrling, Naivling etc. All diese Wörter sind aus demselben genannten Grund ebenso maskulin (aber nicht männlich) wie z. B. der Lichtschalter, der Faktor, der Diamant, der Frühling oder der Hektar, während Chauffeur und Monteur zwar maskulin, Couleur aber feminin ist und Honneur und Malheur neutral. Genus und Sexus sind eben nicht dasselbe.
  • Es gibt allerdings auch eine kleine Gruppe produktiver Endungen, die das biologische Geschlecht anzeigen und daher der sogenannten Movierung dienen. Die häufigste Endung ist in, sie wandelt ein maskulines Nomen agentis in ein feminines und definiert zusätzlich das biologische Geschlecht als weiblich: Autorin, Herrin, Kundin, Pilotin etc. Weniger gebräuchliche Endungen stammen aus dem Französischen, etwa euse wie in Friseuse und esse wie in Politesse, für die das feminine Genus typisch ist: Adresse, Petitesse etc. Ebenso wenig produktiv ist die maskuline Endung rich, die umgekehrt das biologisch männliche Geschlecht anzeigt: Gänserich, Mäuserich, Wüterich etc.
  • Wenn der Sprachfeminismus Endungen wie er, eur, ist und or als Anzeiger des biologisch männlichen Geschlechts fehlinterpretiert und darstellt, muß er logischerweise auf diese Endungen verzichten, um das weibliche Geschlecht einer Person anzuzeigen: *Artin statt Artistin, *Schülin statt Schülerin, *Direktin statt Direktorin etc. Natürlich reden auch Sprachfeministen so nicht, sie hängen das in an das er, ist, or etc. – und beweisen so, daß Nomina agentis auf er, ist, or etc. tatsächlich nur die Handlung, Rolle etc. einer Person bezeichnen, nicht aber ihr Geschlecht. (Wenn ein Käufer nur ein Mann sein könnte, müßte eine Käuferin ein Hermaphrodit ('Zwitter') sein.)
  • Auch die Behauptung, Frauen seien mit Autor, Arbeitnehmer, Artist etc. nur "mitgemeint" und daher durch Gendern "sichtbar" zu machen, ist logisch nicht begründbar: Es mag Feministen schockieren oder frustrieren: Frauen sind zunächst gar nicht gemeint, weil es um ihr biologisches Geschlecht gar nicht geht: Es geht nur um Menschen mit einem definierten Beruf, einer definierten Funktion bzw. Rolle. Auch wenn die Geschlechter dieser Menschen doch einmal eine Rolle spielen sollen, sind Frauen keineswegs, wie die Vorsilbe mit suggeriert, erst 'in zweiter Linie' "mitgemeint"; vielmehr sind sie einfach nur 'gemeint': ebenso wie Männer und "diverse".
  • Wer dennoch glaubt, immer auch das Geschlecht einer Person "sichtbar" machen zu müssen, müßte konsequent immer auch ihre Konfession, Herkunft, Rasse bzw. Ethnie, Hautfarbe, sexuelle Orientierung nennen. Minderheiten mit abweichender Hautfarbe, sexueller Orientierung, Behinderung etc. werden zwar immer noch stärker diskriminiert als Frauen, sollen aber bekanntlich gerade nicht "sichtbar" werden, indem etwa bei Bewerbungen auf Portrait-Fotos, Namensnennung etc. verzichtet werden soll. Warum also müssen Frauen zwanghaft "sichtbar" gemacht werden – warum folgen Feministen nicht dem Beispiel englischsprachiger Frauen, die sich ganz bewußt z. B. als actor (nicht actress) bezeichnen und so Beruf und Leistung in den Vordergrund stellen, nicht ihr Geschlecht?
  • Daß sich die Gleichsetzung des grammatischen Maskulinum mit dem biologisch männlichen Geschlecht logisch und sprachwissenschaftlich nicht begründen läßt, wissen natürlich auch Sprachfeministen, deshalb "begründen" sie ihre Behauptung mit sogenannten "psycholinguistischen Assoziationsstudien" zum "Generischen Maskulinum" (das "generische Femininum" gilt als unverdächtig); diese "Studien" sollen belegen, daß sprachliche Äußerungen im Deutschen vorrangig an Männer denken lassen, also das männliche Geschlecht als Norm voraussetzen.
        Der "Charme" solcher "Studien" besteht darin, daß sie einen bequemen Vorwand bieten, die Erkenntnisse der historischen Linguistik – Entstehung und Verwendung der drei grammatischen "Geschlechter" (Genera) – sowie Sprachlogik und wissenschaftlich begründete Schlußfolgerungen zu ignorieren mit dem einzigen Argument: Frauen fühlen sich mit maskulinen Bezeichnungen nicht angesprochen. Das ist zunächst zu akzeptieren: Man kann ja niemandem vorschreiben, wie er sich zu fühlen hat, und die Benachteiligung von Frauen ist nicht nur gefühlt, sondern Realität. Unsinnig sind solche "Assoziationsstudien" dennoch bzw. gerade deshalb:
    1. Auch andere (normalsprachige) Mitglieder einer Sprachgemeinschaft brauchen sich nicht vorschreiben zu lassen, die Wörter ihrer Muttersprache im 21. Jahrhundert anders zu verstehen als so, wie diese Wörter seit Jahrhunderten verstanden werden; die meisten Sprecher können zwischen Genus und Sexus unterscheiden.
    2. Wissenschaftlichen Anspruch darf eine Studie nur erheben, wenn sie das testet, was sie vorgibt zu testen. "Assoziationsstudien" aber testen nicht, welches Geschlecht man mit Wörtern wie Arbeitgeber, Arzt, Autor etc. assoziiert, sondern welche historische Erfahrung (welches Wissen von der Welt) welche Assoziation bewirkt:
    3. Wenn maskuline Wörter vorrangig an Männer denken ließen und so das "Patriarchat" stützten, dürfte es in Ländern mit Genus-losen Sprachen wie dem Englischen – wo es ja nur die Artikel the und a(n) gibt – keine Geschlechtsdiskriminierung geben: Dann wäre in der angelsächsichen Welt, in Finnland, Ungarn und selbst in der Türkei die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau seit langem Realität.
    4. Den besten Beweis aber kann jeder selbst liefern, wenn er Probanden z. B. in einem Bergwerk, Cockpit oder Operationssaal, einer Schmiede oder Werkstatt ... oder in einer KITA fragt, ob dort Männer oder Frauen arbeiten. Auch wenn die Probanden nur ein Foto des Arbeitsplatzes zu sehen bekommen und auch wenn der Beruf (Pilot, Chirurg etc.) nicht explizit genannt wird, "kennen" sie stets das jeweilige Geschlecht. Der Grund ist nicht das Genus einer Berufsbezeichnung, sondern schlicht die Erfahrung, daß bestimmte Berufe seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten fast nur von Männern – in Ausnahmen von Frauen – ausgeübt werden.
    5. Ebenso lehrreich kann ein weiterer Test sein, der gar nicht explizit das natürliche Geschlecht abfragt und den gedanklichen Fokus somit nicht auf dieses verengt: Was würden Menschen wohl antworten, wenn man sie bäte, z. B. eine Person zu beschreiben, die sie im Falle einer Erkrankung idealerweise behandeln sollte? Die zu erwartende Antwort liefe erfahrungsgemäß auf einen sympathischen, zugewandten, vertrauenswürdigen kompetenten "Arzt" mittleren Alters hinaus, der weder frisch von der Universität viel aktuelles Wissen, aber wenig Erfahrung mitbringt, noch am Ende seiner Karriere viel Erfahrung, aber wenig Kenntnisse des aktuellen Wissensstandes vorweisen kann. Daß dieser "Arzt" nur ein Mann oder eine Frau sein sollte, ist in den wenigsten Fällen (hauptsächlich bei geschlechtsspezifischen Erkrankungen) zu erwarten; nur sehr dumme Menschen glauben, daß die Eignung als Arzt von seinem biologischen Geschlecht abhängt. Selbst die Aussage eines Befragten, er stelle sich einen hellhäutigen Arzt europäischen Typs vor, läßt nicht verdeckten Rassismus vermuten, sondern nur die Gewohnheit, in aller Regel mit einheimischen Ärzten zu tun zu haben.
    6. Wahlforschungsinstitute bemühen sich um repräsentative Aussagen, die Autoren der "Assoziationsstudien" tun das nicht: Kleine Testgruppen aus dem universitären Umfeld mit eigenem Sprachverhalten (Soziolekt, Technolekt) stellen keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung dar. Das gilt für die Sprachkorpora (Sammlungen schriftlicher und mündlicher Texte) der Gender-Linguisten ebenso: Der Sprachgebrauch eines Radio-Journalisten wird aufgezeichnet und analysiert, die Sprache seiner Tausenden von Zuhörern nicht.

Die deutsche Sprache und das "Patriarchat"

Eine Seminararbeit "Psycholinguistische Studien zum Generischen Maskulinum" begann Anfang des 21. Jahrhunderts mit der Prämisse "Die deutsche Sprache zeichnet sich aus durch eine Prädominanz männlich konnotierter Ausdrücke, ein Umstand, der erwachsen ist aus den sozialen Machtverhältnissen der Gesellschaft." Es gibt etliche solcher Aussagen; viele Feministen, die sprachwissenschaftlicher und historischer Kenntnisse ganz unverdächtig sind, wollen dennoch "wissen", daß insbesondere das Jahrtausende alte Machtgefälle zwischen den Geschlechtern, die (unbestreitbare) Unterdrückung und Unterrepräsentation der Frauen die deutsche Sprache geprägt, nämlich "männlich" gemacht haben. Als Beleg wird u. a. die Pejorisierung (Abwertung) von Frauen-Bezeichnungen (Weib, Magd, Frau, Dirne) angeführt.

Nun ist die soziale Realität als Treiber der Sprachentwicklung und Erzeuger oder Förderer des Maskulinums schon deshalb wenig plausibel, weil das Femininum ursprünglich gar nicht existierte und später kaum als Folge einer Phase feministischen Selbstbewußtseins entstanden sein dürfte. Akzeptieren wir dennoch einmal als Gedankenspiel die zitierte feministische Prämisse, um ihre Plausibilität zu überprüfen: Wenn einst ungleiche soziale Verhältnisse eine Verinnerlichung von Frauenfeindlichkeit (Misogynie) und letztlich sprachliche Misogynie verursachten, dann müßte doch in gleicher Weise heute oder in (möglichst naher) Zukunft eine grundgesetzlich abgesicherte, gesellschaftlich akzeptierte und praktizierte Gleichberechtigung der Geschlechter die psychosoziale Entwicklung der Menschen von Geburt an prägen und letztlich eine "inklusive" (alle Geschlechter und alle weiteren Gruppen einschließende) Sprache hervorbringen.
    Feministen denken jedoch umgekehrt, verwechseln Ursache und Wirkung: Das vermeintliche Produkt der sozialen Realität soll diese reformieren. Wenn Sprache so wirkmächtig ist, wie sie behaupten, wie konnte dann das "Patriarchat" überhaupt entstehen? Oder sollen wir eher glauben, die menschliche Sprache sei schon immer misogyn gewesen?

Da sich die Behauptungen einer "männlichen" Sprache nicht logisch beweisen lassen und unterstellte negative Attribute wie "ungerecht", "unsensibel", "verzerrend" etc. schnell berechtigten Widerspruch provozieren, fordern Sprachfeministen rhetorisch geschickt positive Eigenschaften ein, die man kaum ablehnen kann: Sprache müsse "geschlechtersensibel" sein, "geschlechtergerecht" bzw. "gendergerecht", "geschlechtsneutral", "inkludierend", "wertschätzend". Der gedankliche Umkehrschluß ist beabsichtigt: Die Sprache des "Patriarchats" sei das Gegenteil: 'ungerecht', 'unsensibel', 'herabsetzend', 'ausschließend' etc., einfach 'böse'. Doch selbst wenn die oft zitierten "alten weißen Männer" das personifizierte Böse wären, wären sie es nur selbst, nicht ihr Werkzeug der Kommunikation: unsere Sprache.

Gendern: Prinzip, Typen & Varianten, Sinn & Unsinn

Der Sprachfeminismus sieht im Maskulinum nicht nur eine grammatische Kategorie (Kongruenz-Klasse) wie im Femininum und Neutrum, sondern auch den Ausdruck eines biologischen Geschlechts, es sei "männlich konnotiert"; folglich werden biologisch generische (geschlechtsneutrale) Bedeutungen abgelehnt oder nur sekundär oder vereinzelt zugestanden.
    Das Bestreben der Sprachfeministen zielt deshalb auf die Vermeidung (nur) maskuliner Ausdrücke; das Mittel dazu, die Lösung des vermeintlichen Problems, ist das Gendern. Dieses aus dem Englischen entlehnte Substantiv für '(soziales) Geschlecht' wurde im Deutschen zu einem Verb konvertiert (Konversion = 'Übertragung in eine andere Wortart'). Es bezeichnet in Statistik, Wissenschaft und Lehre die Berücksichtigung des Geschlechter-Aspekts, also die Differenzierung nach Männern und Frauen; in der sogenannten Genderlinguistik ist eine das Geschlecht berücksichtigende Sprachform gemeint, die eine zuerst sprachliche, dann als deren Ergebnis außersprachliche Gleichbehandlung realisieren soll und wertend als "gendergrecht", "geschlechtergerecht", "inklusiv" etc. bezeichnet wird.

Das Prinzip des Genderns ist also zunächst die Sichtbarmachung der biologischen Geschlechter, alternativ aber notfalls auch ihre Unsichtbarmachung – übrigens ganz unabhängig davon, ob dies im Einzelfall für das Verständnis einer Aussage notwendig oder gewünscht ist. Ob oder inwiefern so wirklich alle Geschlechter genannt werden, ob das Gendern in der Praxis Sinn macht oder Unsinn, das läßt sich beurteilen, wenn man die verschiedenen Typen und Varianten analysiert:

  • Eine Nicht-Variante vorweg: Formulierungen wie "Meine Damen und Herren" sind noch keine Form des Genderns, auch wenn sie manchmal als solche dargestellt werden: Eine Dame war immer schon eine 'Frau' und ein Herr immer schon ein 'Mann', ihre Geschlechter sind bereits benannt, brauchen nicht zusätzlich (!) sichtbar gemacht zu werden.
  • Der älteste Typ des Genderns ist die Kombination einer maskulinen Sprachform mit einer femininen (in beiderlei Reihenfolge): Autoren und Autorinnen etc. Wir finden solche Formulierungen z. B. in den Reden Adolf Hitlers (10.11.1933 in Siemensstadt: "Deutsche Volksgenossen- und genossinnen! Meine deutschen Arbeiter! Wenn ich heute zu Ihnen und damit zu Millionen anderen deutschen Arbeitern und Arbeiterinnen spreche, dann habe ich dazu mehr Recht als irgendein anderer. [...]") wie auch in der Sprache der Widerstandskämpfer gegen den Faschismus (Das letzte Flugblatt der Geschwister Scholl begann im Februar 1943 mit "Kommilitoninnen! Kommilitonen!"). Formulierungen dieses Typs sind uns vertraut und werden kaum kritisch gesehen, sind aber keineswegs harmlos:
    • Der Kombinationstyp wird oft verkürzend als "Beidnennung" bezeichnet, was er aber nicht ist, da er Genus und Sexus vermengt: Explizit "nennt" er zwar beide Genera, aber nur das biologisch weibliche Geschlecht; implizit wird dieses doppelt genannt, da es von jeher mit der geschlechtsneutralen maskulinen Bezeichnung eingeschlossen wird. (Ein Beleg von vielen sind die ersten Arbeiter im zitierten Anfang der "Führer"-Rede.) Sprachfeministen reduzieren nun die Bedeutung der maskulinen Bezeichnung auf das männliche Geschlecht.
    • Wörter wie Arzt, Kunde, Mensch etc. haben stets viele, auch gemeinsame Bedeutungskomponenten (in der Semantik: Seme), sie schließen alle möglichen religiösen Bindungen, sexuellen Orientierungen, Hautfarben etc. ein ... und auch alle Geschlechter. Wenn man dennoch separat z. B. das weibliche Geschlecht "sichtbar" macht, entsprechen Formulierungen wie Ärzte und Ärztinnen dem Sprachmuster Menschen und Frauen und können bedeuten 'Ärzte beiderlei Geschlechts und zusätzlich weibliche Mediziner' — bzw. als Formel notiert: Ärzte (männliche + weibliche) + weibliche Ärzte = 1 × männliche + 2 × weibliche Ärzte. Eine sprachlogische positive Interpretation ist also 'viel mehr, vielleicht doppelt so viele Frauen wie Männer'.
          Formulierungen nach dem Sprachmuster Menschen und Frauen lassen sich aber streng logisch auch negativ, geradezu böswillig verstehen als 'Frauen sind eigentlich gar keine Menschen, Ärzte etc.', folglich müssen Frauen separat genannt werden, um nicht unerwähnt zu bleiben oder marginalisiert zu werden.
    • Eine andere, verbreiterte Interpretation dieses Sprachmusters ist die der "inklusiven Opposition" (des 'einschließenden Gegensatzes'): Zwei in Bedeutungsopposition zueinander stehende Wörter sollen sich dennoch gegenseitig einschließen. Das Problem dabei ist, daß Ärzte und Ärztinnen, Menschen und Frauen etc. nicht wirklich (bzw. nur in der feministischen Ideologie) zueinander in Opposition stehen, da Ärzte und Menschen alle Geschlechter, Hautfarben, Konfessionen etc. bereits einschließen. Solche Formulierungen sind also unlogisch und unsinnig – es sei denn, man versteht sie nicht als präzise Versprachlichung einer Gegebenheit, sondern als (im linguistischen Sinne) sprachliche Ellipse, also als Auslassung eigentlich notwendiger Satzteile. Vollständige – und somit präzise, unzweideutige – Formulierungen würden dann etwa lauten: Ärzte und darunter vor allem die Ärztinnen oder Menschen, insbesondere Frauen.
    • Die penetrante Kombination maskuliner mit femininer Bezeichnungen verfolgt längst das kalkulierte Ziel, die traditionell geschlechtsneutrale Interpretation maskuliner Wörter durch eine geschlechtliche zu ersetzen.
  • Ein neuer und sprachwissenschaftlich absurder Typ des Genderns ist die Verwendung femininer – in der Regel mit dem Derivationssuffix in abgeleiteter – Personenbezeichnungen für beide Geschlechter. Ein feminines Wort, das eindeutig nur das biologisch weibliche Geschlecht anzeigt, soll ein maskulines und angeblich männlich konnotiertes ersetzen. Das Bemühen um eine "geschlechtsneutrale", "geschlechtergerechte" Sprache soll so nicht einmal vorgetäuscht werden; man gewinnt den Eindruck einer "Retourkutsche" für jahrhundertlange Unterdrückung durch das "Patriarchat", und tatsächlich wurde das auch schon so vorgetragen. Es gibt mehrere Varianten dieses Typs:
    1. Das "generische Femininum": Diese extremste und provokativste, quasi "reinste" Variante des Genderns wurde 2013 an der Uni Leipzig eingeführt durch einen Beschluß zum Titel Professorin, daß "diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt". (Man stelle sich einen Pferdezüchter vor, der behauptet, mit Stuten seien ab sofort auch 'Hengste' gemeint.) Verantwortlich für diesen sexistischen, wissenschaftsfeindlichen Anschlag auf die Sprache und Sprachwissenschaft war keine ideologisierte Studentenversammlung, sondern der Senat und das Rektorat einer deutschen Universität.
    2. Alternierende Personenbezeichnungen sind seit etwa 2022 in den Medien beliebt: Mit Formulierungen wie z. B. Ärztinnen und Patienten oder Ärzte und Patientinnen möchte man die Zuhörer bzw. Leser nötigen, bei maskulinen wie auch femininen Bezeichnungen jeweils beide Geschlechter zu verstehen. Die angeblich so realisierte Gleichberechtigung beider Geschlechter könnte allerdings nur funktionieren, wenn die Adressaten gleich zwei Lügen akzeptierten: Zunächst sollen maskuline Bezeichnungen wie Ärzte, Patienten etc. unter Mißachtung der deutschen Grammatik nur als männlich verstanden werden; dann aber sollen sie – ebenso wie z. B. die femininen Wörter Ärztinnen und Patientinnen – doch wieder beide Geschlechter bezeichnen.
          Im Sprachverständnis von Sprechern der ideologiefreien deutschen Standardsprache bedeutet Ärzte und Patientinnen selbstverständlich weiterhin 'Ärzte beiderlei Geschlechts und (nur) weibliche Patienten'.
    3. Sogenannte Genderzeichen sind eine nicht minder perfide Variante, feminine Personen-Bezeichnungen als Standard für Funktionen und Rollen zu etablieren: Sprachfeministen behaupten und erwarten, daß als weiblich markierte Bezeichnungen wie Ärztin, Schülerin etc. auch als 'männlich' und zusätzlich 'divers' zu interpretieren sind, wenn man sie mit einem kurzen Stocken im Redefluß spricht bzw. diesen Glottisschlag durch einen Asterisk ("Gendersternchen") graphisch kennzeichnet oder ein Sonderzeichen wie den Doppelpunkt, Unterstrich etc. vor dem Derivationsmorphem (in bzw. innen) einfügt. Tatsächlich gibt es im gesprochenen Deutschen einen Glottisschlag (die stimmlose Lösung eines Verschlusses der Stimmlippen etwa zu Beginn des Wortes acht) und in seiner Schriftversion auch die erwähnten Interpunktionszeichen.
          Allerdings hat der Glottisschlag im Deutschen keine phonemische (phonologische) Funktion, d. h. er ist kein bedeutungsunterscheidender Laut (kein Phonem); er ist nur vor Vokalen am Silben- bzw. Wortanfang zu hören und ebenso Teil des Hustens und Keuchens. (In einem südöstlichen Regiolekt des Englischen kann er immerhin das /t/ zwischen Vokal und Wortsilbengrenze ersetzen.) Die feministische Behauptung, ein mit Glottisschlag gesprochenes und mit Asterisk geschriebenes Wort (Ärzt*innen etc.) bezeichne auch Männer oder gar eine Vielzahl geschlechtlicher und sonstiger Identitäten, ist folglich ideologisch motivierter Unfug.
          Im geschriebenen Deutsch dient der Asterisk (*) traditionell als Kennzeichnung eines nachfolgenden Geburtsdatums, als nicht numerierendes Fußnotenzeichen, als Platzhalter für nicht geschriebene bzw. lesbare Buchstaben und in der Sprachwissenschaft als einem Wort vorangestellter Hinweis darauf, daß dieses entweder nicht durch Quellen belegt, aber gemäß bekannter Lautgesetze erschlossen wurde, oder nicht der Norm entspricht, obwohl es im System der Sprache denkbar ist (Beispiel: stach, nicht *stechte). Für das männliche Geschlecht ist nur das Marssymbol (♂) etabliert, für das weibliche das Venussymbol (♀).
          Auch andere Sonderzeichen mitten in Wörtern bezeichnen keine Männer: Arbeitnehmer:innen sind ebenso immer nur weiblich wie Konsument_innen, MitarbeiterInnen etc. ... oder Frau*en. Der Singular macht das jeweils noch deutlicher: die Konsument_in, die MitarbeiterIn, die Frau etc. Wer unbedingt auch Männer "sichtbar" machen will, kann sich mit dem Derivationssuffix erich (Ärztinnen und Ärzteriche) blamieren.
  • Das Partizip Präsens (z. B. tuend) wird wie das Partizip Perfekt (z. B. getan) von einem Verb abgeleitet, aber oft wie ein Adjektiv verwendet. Es nimmt daher zwischen Verb und Adjektiv eine "Mittelstellung" ein, wie sie der Begriff Partizip ebenso andeutet wie das deutsche Mittelwort. Das Partizip Präsens (auch: Partizip 1) drückt bekanntlich Handlungen aus, die gleichzeitig oder im beschriebenen Moment stattfinden (laufende Ermittlungen etc.). Das hindert Gender-Ideologen aber nicht daran, statt üblicher Personenbezeichnungen substantivierte (zum Hauptwort gewandelte) Partizipien zu verwenden; vor allem im Plural werden aus Forschern so Forschende, aus Dozenten werden Dozierende, und Studenten sollen auch dann noch Studierende sein, wenn sie essen oder schlafen.
        Natürlich widerspricht dies dem natürlichen Sprachempfinden: Verunglückte Radfahrer sind keine Radfahrenden, und Deutschland ist nicht das Land der Dichtenden und Denkenden. Ideologen sind gegen Sprachlogik immun.
  • Als letzter sprechbarer Typ wird die Neuformulierung vorgestellt: Maskuline – in feministischer Wahrnehmung "sexistische" – Personenbezeichnungen sollen hier nicht durch abgeleitete feminine Formen, Sonderzeichen etc. ergänzt, sondern durch neue, alternative Bezeichnungen ersetzt werden. Was mit dem Neger oder Schwarzen und anderen Rassismus-verdächtigen Bezeichnungen begann, wird nun mit Sexismus-verdächtigen fortgesetzt.
        Beispiele für diesen Typ des Genderns liefern etwa die "Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung". Unter der Überschrift "Geschlechtsneutrale Formulierung" findet man etwa:
    • "Lehrkraft statt Lehrerin, Lehrer" [Die Lehrkraft soll also "geschlechtsneutral" sein, der Lehrer aber nicht.]
    • "Ansprechperson statt Ansprechpartnerin und Ansprechpartner" [Die Person = gut, der Partner = schlecht?]
    • "alle statt jede, jeder" [Alle können das Haus kaufen und Jeder kann das Haus kaufen ist nicht dasselbe!]
    • "Ältere Menschen statt Seniorinnen und Senioren" [Warum nicht gleich "alte Menschen"?]
  • Ein rein graphischer Typ schließlich ist das nachgestellte (m/w/d). Die drei Buchstaben widerlegen die Behauptung der Sprachfeministen, ein "generisches Maskulinum" existiere nicht (mehr): Elektriker (m/w/d) z. B. läßt sich logisch nur als 'm', 'w' oder 'd' interpretieren, wenn diese Berufsbezeichnung weiterhin geschlechtsneutral verstanden wird.

Die oben erwähnten "Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung" behaupten: "Eine geschlechtersensible Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass sich mit dieser die Vielfalt der Gesellschaft ausdrückt. Um dieses Ziel zu erreichen hat sich eine Kombination aus geschlechtsneutralen Formulierungen, Umschreibungen bzw. inklusiven Formen z.B. Gender-Doppelpunkt oder Gender-Stern in der Anwendung bewährt. [...] Geschlechtsneutrale Formulierungen thematisieren nicht das Geschlecht der betreffenden Personen."
    Das Gegenteil trifft jeweils zu: Erst die "geschlechtersensible Sprache" thematisiert geradezu obsessiv das Geschlecht; geschlechtsneutrale Formulierungen werden umgedeutet und durch feminine ersetzt, denen männliche oder "vielfältige" Bedeutungen verordnet werden. Eine sprachliche Äußerungen gewinnt jedoch Bedeutung erst im Kopf eines Hörers bzw. Lesers; der Versuch, ihm eine neue, ideologisch motivierte Art des Verstehens und Sprechens aufzunötigen, ist totalitär.
    Eine deutsche Schriftstellerin, die bis 1988 in der DDR lebte, hat ihre Ablehnung des Genderns 2019 so begründet: "Die politische Bereinigung der Sprache ist eine geradezu diktatorische, auf jeden Fall eine ideologische Anmaßung, die nur Leute mit Hoheitsgewalt durchsetzen können: in Behörden, Rathäusern, Universitäten, öffentlich-rechtlichen Sendern".

 
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